Das Ringeturnen

Ein Ringe-Gerüst beim Kunstturnen im Wettkampf.

Die Ringe im männlichen Gerätturnen: Kraft, Kontrolle und Körperspannung

Die Ringe sind eines der technisch und physisch anspruchsvollsten Geräte im männlichen Kunstturnen. Hier dominieren nicht Tempo oder akrobatische Flugteile, sondern pure Kontrolle, statische Kraft und absolute Präzision. Die Körpermitte muss wie aus Beton sein, jeder Muskel unter Spannung, jede Bewegung exakt geplant. Wer an den Ringen brillieren will, muss sich auf die perfekte Balance zwischen Ruhe und Kraft verlassen können.


Aufbau des Geräts

Die Ringe bestehen aus zwei stabilen Kunststoffringen mit einem Durchmesser von etwa 18 cm, die an jeweils rund 3 Meter langen Seilen befestigt sind. Diese Seile hängen an einem Stahlrahmen oder einer Aufhängung an der Hallendecke. Die Ringe selbst befinden sich etwa 2,80 Meter über dem Boden. Der Abstand zwischen den Ringen liegt bei exakt 50 cm.

Anders als an festen Geräten wie Barren oder Reck sind die Ringe instabil: Sie schwingen mit jeder Bewegung. Dadurch wird jede Korrektur, jede kleine Instabilität sofort sichtbar. Genau das macht das Ringeturnen so anspruchsvoll.


Ziel und Charakter der Ringübung

Eine Ringeübung soll eine Kombination aus Haltekraft, Kontrolle, Schwung und Technik zeigen. Im Unterschied zu anderen Geräten steht nicht die Dynamik im Vordergrund, sondern die Fähigkeit, den Körper unter vollkommener Spannung in statischen Positionen zu halten und kontrolliert durch Übergänge zu führen. Dabei sind drei Hauptaspekte entscheidend:

  1. Statische Kraftelemente wie der Kreuzhang, die Schwalbe oder der Stützwaage.

  2. Schwungelemente wie Riesenfelgen, Jonasson & Yamawaki.

  3. Kontrollierte Übergänge und ein sauberer Abgang mit sicherer Landung.

Die Übung soll gleichmäßig und rhythmisch sein, ohne abruptes Stoppen oder Krafteinbrüche. Jeder Übergang muss technisch sauber und flüssig wirken.


Bewertung: Schwierigkeit und Ausführung

Schwierigkeit (D-Note)

Für die D-Note zählen die acht schwierigsten Elemente der Übung. Diese müssen möglichst aus verschiedenen Elementgruppen stammen, um die Übung vielseitig zu gestalten. Dazu gehören:

  • EG I: Kraftelemente mit statischem Halt (z. B. Kreuzhang, Schwalbe, Stützwaage)

  • EG II: Schwungelemente mit Auf- oder Umschwüngen (z. B. Felgen, Riesenfelge, Yamawaki)

  • EG III: Schwung zu Kraft-Elementen (z. B. Honma in den Kreuzhang, Stemme zur Schwalbe)

  • EG IV: Abgang (z. B. Doppelsalto vorwärts/rückwärts, Dreifach-Salto, Tsukahara)

Für jede abgedeckte Elementgruppe gibt es 0,3 - 0,5 Bonuspunkte, lediglich beim Abgang wird der Wert des Elementes verdoppelt und als Bonus gewertet. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einen Standbonus für einen perfekt gestandenen Abgang zu erhalten. 

Wichtig: Ein Halteelement wird nur dann anerkannt, wenn es mindestens zwei Sekunden sauber gehalten wird. Sonst gilt es als nicht gezeigt.


Ausführung (E-Note)

Die E-Note beginnt bei 10,0 Punkten. Für jede sichtbare Abweichung werden Fehler abgezogen. Die Bewertung orientiert sich an:

  • Körperhaltung: gestreckte Beine & Arme

  • Haltekraft: stabile Positionen ohne Wackeln

  • Bewegungsfluss: flüssige Übergänge ohne sichtbare Vorbereitung

  • Ringkontrolle: die Ringe dürfen nicht pendeln oder ausschwingen

  • Landung: sicher, ohne Schritte oder Unsicherheit

Typische Fehler:

  • Haltezeit unter 2 Sekunden: Element zählt nicht

  • Wackeln in Halteposition: 0,3 bis 0,5 Abzug

  • Korrekturbewegungen: 0,1 bis 0,3

  • Pendelbewegungen: 0,3 bis 0,5

  • Stürze oder Gerätverlassen: 1,0 Abzug + Verlust des Elements


Technischer Aufbau einer Wettkampfübung

Eine moderne Übung an den Ringen beginnt oft mit einem Kraftelement oder einer Schwung zu Kraft Bewegung. Danach folgen Übergänge in andere Haltepositionen (z. B. Kreuzhang, Schwalbe, Stützwaage) und dazwischen kontrollierte Schwungelemente. Riesenfelgen oder Umschwünge münden in einen sicheren Abgang wie einem gestreckten Doppelsalto mit Schraube.

Musteraufbau:

  1. Stemme in die Stützwaage

  2. Stemme rückwärts in den Handstand

  3. Stemme in die Schwalbe

  4. Nakayama in den Kreuzhang

  5. Asarjan in den Kreuzhang

  6. Stemme vorwärts in den Handstand

  7. Riesenfelge rückwärts durch den Handstand

  8. Dreifach-Salto Abgang

Physische Voraussetzungen

Wer an den Ringen erfolgreich sein will, braucht:

  • maximale Kraftausdauer in Armen, Schultern, Rumpf

  • stabile Griffkraft zur Kontrolle der Ringe

  • Körpergefühl und Gleichgewichtssinn

  • Technikverständnis für Haltewinkel und Griffwechsel

  • mentale Konzentration, um auf den Punkt zu liefern

Viele Turner trainieren gezielt Kreuzhänge und Schwalben jahrelang, bis diese sauber gehalten werden können. Zusätzlich sind Techniktraining der Schwungelemente, sowie spezielles Krafttraining fester Bestandteil jeder Trainingseinheit.


Häufige Fehler im Wettkampf

  • Elemente nur angedeutet, nicht gehalten: kein Wert

  • Pendeln der Ringe schon zu Beginn: Abzug ab dem ersten Schwung

  • Abgang instabil: bis zu 0,5 Punkte + verlorener Eindruck

  • Unvollständiger Handstand bei Riesenfelge: 0,3 Abzug

  • Hilfe durch Trainer oder Matte berührt: grober Fehler


Fazit

Die Ringe sind das ultimative Gerät für Kraft, Technik und Nervenstärke. Eine gute Ringeübung wirkt still, ruhig und kontrolliert – und ist doch das Resultat aus Jahren gezielten Trainings. Nur wer jeden Griff, jeden Winkel und jede Haltephase beherrscht, kann an diesem Gerät bestehen. Ringeturnen ist kein Spektakel, sondern ein stilles Meisterwerk – für Kenner die Krönung turnerischer Disziplin.

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